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Die „Osiris“-Anlage

 

Eine der rätselhaftesten Anlagen befindet sich unterhalb des Aufgangs vom Sphinx und Tal-Tempel zur „Chephren“-Pyramide, die heute als „Osiris“-Schacht oder „Osiris-Grab“ bezeichnet wird (früher auch als „Wasser“-Schacht). Diese Anlage ist in doppelter Hinsicht interessant: Erstens befindet sich in 30 m Tiefe eine grosse Granitwanne mit Granitdeckel, die nicht durch die Zugangsschächte befördert werden konnte. Zweitens zeigt die offizielle Ägyptologie an diesem Beispiel, wie sie sich die Fakten immer wieder etwas zurechtlegt.

Durch den senkrechten Eingangsschacht gelangt man etwa 4 m tief auf die erste Ebene. Im hinteren Bereich der leeren Felskammer befindet sich der nächste Schacht, der ebenfalls senkrecht zur zweiten Ebene in rund 20 m Tiefe führt. Von dort geht in einer Seitennische ein dritter senkrechter Schacht hinunter zum sogenannten „Osiris-Grab“. Diese Schächte zu den drei unterirdischen Ebenen der Anlage sind bautechnisch aufwendig versetzt angeordnet. 

Von der untersten Kammer führt ein unerforschter Gang in Richtung der grossen Pyramide, der sich nach 6 m verengt und unpassierbar wird (siehe Entdeckungen in der „Osiris“-Anlage, Seiten 184 und 189). 

Die dritte Ebene der Anlage stand bei der Entdeckung durch Dr. Selim Hassan im Jahre 1935 unter Wasser. Als der Pegel dank der künstlichen Grundwassersenkung im Zuge der Sphinx-Konservierung zurückging, konnten in den Jahren 1997 und 1998 alle Ebenen untersucht werden (siehe Schor-Expeditionen, Seite 184). 

Für die Erforschung der Anlagen in Giza und offizielle Aussagen darüber war der Ägyptologe Dr. Zahi Hawass als Regierungsvertreter zuständig, der bereits seit den Siebzigerjahren eine Schlüsselrolle einnahm. In einem Interview mit dem privaten Forscher Andrew Bayuk, das Dr. Hawass auf seiner Website veröffentlichte, spielt er die Bedeutung des „Osiris-Grabes“ herunter und betont, diese unterirdische Anlage sei nichts Besonderes und nicht geheim, jeder wisse davon, doch es würden viele Gerüchte verbreitet.

Die zweite Ebene besteht aus einer Zentralkammer und sechs Felsnischen. In zwei davon befinden sich grosse Granitwannen, die Dr. Hawass als „Sarkophagi“ bezeichnete. „Inside the area there is much pottery and bones. I dated this level to 26th Dynasty, 500 bc, based on the pottery style and this second shaft was cut later.“ Ihm zufolge wurden dort Gegenstände aus Ton beziehungsweise Tonscherben sowie Menschenknochen gefunden. Er habe die zweite Ebene aufgrund des Stils der Tongegenstände auf die 26. Dynastie, 500 v. Chr., datiert und gefolgert, dass der zweite Schacht später herausgehauen worden sei.

Es ist jedoch überhaupt nicht zwingend, dass die Anlage nicht älter ist als die dort gefundenen Gegenstände. Es könnte auch sein, dass um 500 v. Chr. Menschen in das viel früher entstandene unterirdische Bauwerk gelangten, um dort Tote zu bestatten. Oder vielleicht kamen die Eindringlinge darin selbst ums Leben. Der Grundsatz des Chefägyptologen, dass die Tonfunde von den Erbauern stammen, ohne andere Möglichkeiten zu erörtern, ist verwunderlich (nach ähnlichen Erfahrungen, wie z. B. bei Vyse und den Funden in der „Mykerinos“-Pyramide). Ebenso die Logik der Chronologie: Da die Schächte versetzt sind, erreicht man die dritte Ebene nur durch die zweite, die aber gemäss 

Dr. Zahi Hawass später entstanden sein soll. Vielleicht geht er davon aus, dass sie erst um 500 v. Chr. ausgearbeitet wurde, um danach die beiden Sarkophage dorthin zu bringen. Dr. Zahi Hawass betont im Interview, „welch eine „Big operation“ es war, aus der dritten, lange Zeit überschwemmten Felskammer nach der Trockenlegung die Ablagerungen durch die senkrechten Schächte 30 Meter nach oben zu befördern.“  

Was für ein gigantisches Unterfangen der Bau der unterirdischen Anlage an sich gewesen sein muss, darüber verliert er kein Wort. Die dritte Ebene ist mindestens 100 m3 gross, wie sich aus Fotos der Kammer mit dort abgebildeten Personen ableiten lässt. Der Raum ist fast quadratisch. 

In der Mitte befindet sich in einer rechteckigen Bodenvertiefung ein 2,5 m langer Granittrog. Er wird offiziell das „Grab des Osiris“ genannt, obwohl er bei seiner Entdeckung 1935 leer war.

Die Wanne liegt bündig an der Rückwand der länglichen Vertiefung und wird auf den anderen drei Seiten von Wasser umgeben. Die schmale Flanke an der Rückwand ist gerade, die gegenüberliegende gekrümmt. An den vier Ecken der Steinumrandung sind Rudimente viereckiger Kalksteinsäulen zu sehen, von denen wegen der Erosion durch das Wasser oder Erdbeben nicht viel übrig geblieben ist. Zur Wanne gehört ein etwa 1,2 m breiter, 2,5 m langer und 0,5 m hoher, perfekt zugeschnittener Granitdeckel, der aufgrund der Grösse rund 4 t wiegen dürfte. Die Oberfläche ist fein geschliffen und weist keine Inschriften auf. Heute liegt der monolithische Deckel auf zwei Balken, die quer über die Vertiefung gelegt wurden. Weil Wanne und Deckel (zusammen rund 12 t) nicht aus demselben Felsgestein wie die Kammer bestehen, stellt sich dazu auch hier wieder das Rätsel, auf welche Weise sie dorthin gebracht wurden (wie beim „Perser“-Schacht Seite 79)?

Im Zusammenhang mit der Altersbestimmung der Anlage erklärt Dr. Zahi Hawass, dass Giza zur Zeit des Neuen Reiches 

„pr osr nb rstw“ genannt wurde: 

„pr stehe für Haus oder Residenz, osr für Osiris, nb für Herr und rstw bedeute Friedhof oder wörtlich übersetzt unterirdischer Tunnel. Das Giza-Plateau hiess im Neuen Reich also ‚Haus des Osiris‘, des Herrn der unterirdischen Tunnel.“ 

(In der Mythologie „Herr der Unterwelt über das Haus der Erwachten“)
Die dritte Ebene datiert er „auf Grund der Grösse des „Sarkophags“ und des Stils der Tonscherben, die in diesem Schacht gefunden wurden“, auf das Neue Reich um 1550 v. Chr. („Based on the size of the sarkophagus and the style of the pottery that has been found inside the shaft I dated this to 1550 bc, the New Kingdom.“) Als Nachweis dient ihm eine beim „Osiris-Grab“ gefundene pr-Hieroglyphe, woraus er schliesst, dass die dritte Ebene aus dem Neuen Reich stammt, weil das Giza-Gelände damals mit „pr osr nb rstw“ bezeichnet wurde. Als kritischer Betrachter muss man sich allerdings fragen, ob die einsame Hieroglyphe „pr“ mit der Giza-Bezeichnung zur Zeit des Neuen Reiches gleichzusetzen ist. Selbst wenn das tatsächlich der Fall wäre, ist die Folgerung, dass die Hieroglyphe von den Erbauern stammt, nicht schlüssig. Wenn sie sich mit einer Inschrift verewigen wollten, hätten sie sich wie alle Pharaonen des Neuen Reiches klar ausgedrückt. Gemäss Dr. Hawass wurde die dritte Ebene um 1550 v. Chr. gebaut und in der Spätzeit um 550 v. Chr. als Begräbnisstätte genutzt. Seine Interpretation verwundert sogar den Interviewer Andrew Bayuk, der ein Anhänger der ägyptologischen Lehren ist: „So then you believe this third level to be originally from the New Kingdom and then later used for burial in the late period?“ fragt er nach und Dr. Hawass bestätigt: „Yes.“

Wofür war denn die Anlage ursprünglich vorgesehen, wenn sie erst 1‘000 Jahre später als Grabstätte diente? Oder wurde dort in der Spätzeit die alte Mumie entfernt und ein anderer Leichnam bestattet? 

Die Interpretation von Dr. Hawass wirkt etwas zurechtgelegt, wie so oft, wenn versucht wird, die megalithischen Anlagen in die ägyptologische Chronologie einzuordnen. In allen Dynastien haben die Pharaonen die Felsgräber mit ihren Kartuschen, Farb- und Reliefinschriften vom Boden bis über die Decke verziert. Doch in der „Osiris“-Anlage gibt es nichts davon. 

Viel wahrscheinlicher ist, dass sie als Gesamtanlage geplant und gebaut wurde, vor etlichen Jahrtausenden in archaischer Zeit. Die Granit-Wannen im zweiten und dritten Untergeschoss sind weitgehend gleich gefertigt wie denjenigen in anderen monolithischen Anlagen in Ägypten (z. B. im Serapeum und im „Perser“-Schacht, welche alle – wie die 3 grossen Giza-Pyramiden – leer und inschriftenlos sind). 

Im Weiteren weist Hawass zu Recht darauf hin, dass der Raum an das Osireion von Abydos erinnert: „Das ‚Osiris-Grab‘ von Giza ist eine Kopie davon“, meint Dr. Hawass (siehe Seite 78). 

Alle diese geheimnisvollen Bauwerke zeugen von einem problemlosen Umgang mit gewaltigen Steinblöcken in unterirdsichen Anlagen, obwohl es an verschiedenen Orten viel einfachere Konstruktionslösungen gegeben hätte.

Zum weiterführenden Gang sprach Hawass im Interview von Plänen, eine optische Sonde hindurchzuführen. Angeblich ohne den Tunnel weiter erforscht zu haben, will der Chefägyptologe wissen, dass der Gang nicht bis zur grossen Pyramide führt und die Anlage aus dem Neuen Reich stamme. 

Seine Aussagen aus dem Jahr 2000 deuten auf eine Sensation hin. Hinter dem Spalt des Gangs Richtung Pyramide muss sich ein Hohlraum befinden, denn sonst gäbe es keinen Grund, mit einer Kamera dahinter zu blicken. Was dabei herausgekommen ist, hat die Öffentlichkeit bisher nicht erfahren. Es ist nicht anzunehmen, dass das Projekt zur Untersuchung des Tunnels nicht weiterverfolgt wurde, zumal die in Giza aktiven Interessengruppen um die unterirdischen Anlagen der Megalith-Baumeister wissen und selber weitere finden und mehr darüber erfahren möchten.

Anmerkung:

Die 2 bemerkenswerten Fotos der Entdeckung stammen von Dr. J.J. Hurtak, einem Orientologen, Sozialwissenschaftler und Remote-Sensing-Spezialisten. Er war wichtiger Berater bei der Entdeckung der Unterwasseranlagen von Yonaguni in Japan, bei Forschungen über die Pyramiden-Strukturen in Mexiko und Brasilien und bei Remote-Sensing-Expeditionen in Ägypten. Seine Arbeit widmet sich den Herausforderungen spezifischer Wissensgebiete. 

Dazu 2 Zitate zur Giza-Forschung:

„Wer wäre nicht begeistert, wenn wir den Schleier, hinter dem die Zukunft verborgen liegt, lüften und einen Blick auf die nächsten Errungenschaften unserer Wissenschaft und ihre Geheimnisse in künftigen Jahrunderten werfen könnten? Das ist der Ansatz eines jeden Zukunftsforschers.“ 

„In etwa dreissig Jahren werden in Giza grosse Entdeckungen um die Pyramiden zum richtigen Verständnis dieser Anlagen führen.“

Prophezeiung von Dr. J.J. Hurtak 

 

 

Dies ist ein Auszug aus dem Buch GIZA VERMÄCHTNIS.