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Die „Chephren“-Pyramide

Die „Chephren“-Pyramide ist die mittlere der drei Pyramiden und nur unwesentlich kleiner als die grosse „Cheops“-Pyramide.

 

Die mittlere Pyramide

Die „Chephren“-Pyramide ist 215,25 m lang und 143,5 m hoch. Sie ist zwar rund 3 m kleiner als die „Cheops“-Pyramide, befindet sich aber auf einer rund 10 m höher gelegenen Ebene. 

Chephren (Chafre, Chef-Re) und sein Bruder Djedefre, der älteste Sohn von Cheops, haben eine interessante Gemeinsamkeit: Sie tragen die Bezeichnung des Sonnengottes Re in ihrem Namen. Djedefre, der nach dem Tod seines Vaters Pharao wurde, aber schon acht Jahre danach starb, soll neue religiöse Ansichten vertreten haben. Er anerkannte nicht mehr Horus und Chnum als einzige oder höchste Götter, sondern brachte mit seinem Pharao-Namen die besondere Verehrung des Sonnengottes Re zum Ausdruck (Echnaton hat diese in der 18. Dynastie wieder etabliert und für kurze Zeit den Monotheismus eingeführt). Damals fand offenbar ein religiöser Umbruch statt. Im Gegensatz zu Djedefre soll Chephren seine Pyramide trotzdem direkt neben die seines Vaters gebaut haben, als geometrische Weiterführung der Anlage: Die verlängerte Nordost-Südwest-Diagonale der grossen Pyramide ist auch die Nordost-Südwest-Diagonale der mittleren Pyramide. Damit diese Ausrichtung exakt und kompromisslos umgesetzt werden konnte, musste ein unebenes, schräges Kalkstein-Gelände auf einer Fläche von über 50 Hektaren planiert werden. Eine Meisterleistung, zumal riesige Felspartien abzutragen waren. Das ist auf der Westseite der „Chephren“-Pyramide besonders gut zu sehen. Dort wurde das Felsgelände 4,5 m tief abgetragen, damit die Pyramide auf allen Seiten völlig eben steht. Wer immer die Bauherren waren, sie waren auch Meister der Planierkunst. 

An der Spitze sieht man noch den Rest des Mantels aus hellem Tura-Kalkstein (siehe Abb. 1.14). Bei den drei untersten Lagen wurden wie mit dem Lineal zugeschnittene Verkleidungsquader aus Rosengranit verwendet (s. Abb. 1.15). Die Lagen selbst bilden Kalksteinblöcke, die 6 m lang und 1,8 m hoch sind und rund 200 t wiegen. Der obere Teil der „Chephren“-Pyramide besteht aus Blöcken, die etwa 3 t schwer sind, ähnlich wie bei der „Cheops“-Pyramide. Wegen des Grössenunterschieds zwischen den Riesenblöcken in den unteren Lagen und den kleineren in den oberen Ebenen besagt eine alternative Theorie, dass die „Chephren“-Pyramide in zwei verschiedenen vordynastischen Epochen erbaut wurde. In der ersten Phase seien jene Anlagen gebaut worden, die aus den gewaltigen Kalksteinblöcken bestehen: der Sphinx, der Sphinx-Tempel, der Tal-Tempel, der „Chephren“-Totentempel, der untere Teil der „Chephren“-Pyramide, vielleicht auch schon die „Cheops“- und die „Mykerinos“-Pyramide oder deren Fundamente. Das sei der Stand im Ersten Zeitalter, der Nether-Epoche, der Gott-Könige gewesen. Im Zweiten Zeitalter, der Epoche der Shemsu Hor, der Horus-Könige, sei das Giza-Zentrum renoviert und weiter ausgebaut worden: der Pyramidenaufbau auf der Plattform der „Chephren“-Pyramide, eventuell die „Mykerinos“- und die „Cheops“-Pyramide mit den Granit- und Tura-Kalksteinverkleidungen, sowie die Granitmauern bei den mittlerweile verwitterten Kalksteinblöcken des Tal-Tempels. 

In dieser Phase könnte auch die Umgestaltung des verwitterten Sphinx-Kopfes stattgefunden haben (siehe Seite 61). 

Es ist jedoch eher wahrscheinlich, dass die „Chephren“-Pyramide in einer einzigen Epoche errichtet wurde. Zuerst das massive Fundament mit den 200-Tonnen-Blöcken, darauf der Rest der Pyramide mit kleineren Bausteinen. Anhand dieses Szenarios wären im Ersten Zeitalter die 3 Pyramiden und der Sphinx erstellt worden, verbunden mit den unterirdischen Anlagen, und im Zweiten Zeitalter kamen die Granitverkleidungen, Tempelanlagen und die langen Aufgänge hinzu (siehe dazu auch Zeittafel der prähistorischen Kulturen). 

 

Die Kammern im Untergrund

In die „Chephren“-Pyramide kann man durch zwei separate Gänge gelangen, die parallel übereinander angelegt sind. 

Der erste beginnt 2,6 m ausserhalb der Pyramide auf Geländehöhe und führt direkt in den Fels zu einer Kammer. Sie sei eine unvollendete Grabkammer, lautet die ägyptologische Lehrmeinung. 

Zuerst sei eine viel kleinere Pyramide geplant gewesen, deren Spitze über dieser Kammer gelegen hätte. Dann habe man sich aber zu einem markant grösseren Bauwerk entschlossen, genau auf der Fortsetzung der Diagonalen der „Cheops“-Pyramide. Deshalb sei die Grabkammer unter die Spitze der neuen Pyramide nochmal gebaut worden.  Der erste Gang durch den Fels ist jedoch lediglich 1,05 m breit und 1,11 m hoch. Wie hätte dort hindurch der Sarkophag gebracht werden können? Sollten die Priester im Kauergang durchschlüpfen, mit der Mumie des Pharao im Schlepptau? 

Der zweite Gang, der zur „neuen Grabkammer“ führt, ist bis kurz davor genauso eng (1,05 m breit, 1,20 m hoch). Die Kammer selbst, die sich bis zum Dachansatz ebenfalls im Felsuntergrund befindet, ist 14,17 m lang, 4,97 m breit und bis zum First 6,84 m hoch. Das Giebeldach besteht aus gegeneinander gekippten, dicken Kalksteinplatten (je rund 15 t schwer), die aus dem Boden ragen. Darauf wurde die rund 2,2 Mio. m3 grosse Pyramide gebaut, die etwa 5 Mio. t wiegt. Das Giebeldach hielt den enormen Belastungen auch bei Erdbeben stand.

Es wird angenommen, dass der Sarkophag wegen des engen Ganges von aussen in die Kammergrube abgeseilt wurde. 

Doch der zweite, obere Gang beginnt im Pyramidenkörper, auf Höhe der zwölften Lage (11,48 m über dem Gelände), und führt schräg hinab in den felsigen Untergrund. Es mussten also zuvor die zwölf Lagen im Eingangsbereich errichtet worden sein. Gut 4 m unter dem Boden setzt sich der Gang horizontal fort bis zur grossen Kammer. Sie ist rechteckig. Parallel zur westlichen, schmalen Seite befindet sich eine monolithische Rosengranit-Wanne (2,64 x 1,07 x 0,97 m), die in den Boden eingelassen ist. Der neuzeitliche Entdecker des Zugangs und der Kammer (Giovanni Battista Belzoni, im Jahr 1818) fand darin viel Schutt und einige Knochen. Spätere Untersuchungen zeigten, dass sie – wie in der „Mykerinos“-Pyramide – von Stieren stammten.

 

Dies ist ein Auszug aus dem Buch GIZA VERMÄCHTNIS.