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Die vielen Kammern in der „Cheops“-Pyramide

Trotz all dieser fast unglaublichen Baukunst und Geometriekenntnisse liegt das wahre Kunstwerk innerhalb des Pyramidenkorpus: die Kammern und Gänge. Erst im 9. Jahrhundert gelang es, diese zu finden, da der originale Eingang übermantelt war. 

Der ursprüngliche Eingang in die grosse Pyramide befindet sich auf der Nordseite, rund 17 m über dem Boden. Das A-förmige Portal, das aus grossen, schräg gegeneinander gelegten Steinblöcken besteht, ist heute deutlich sichtbar. 

Als Kalif al-Mamun im neunten Jahrhundert etwas weiter unten einen künstlichen Stollen mit brachialer Gewalt in die „Cheops“-Pyramide brechen liess, war der Eingangsbereich noch hinter den Verkleidungssteinen verborgen. Die Truppe stiess jedoch durch einen (un)glücklichen Zufall auf den engen, niedrigen Schacht, der vom ursprünglichen Eingang steil hinuntergeht. Durch ihre Rammstösse hatte sich darin ein Steinblock gelöst, dessen Geräusch den türkischen Schatzsuchern die Richtung wies. Heute wird ihr Stollen als Eingang in die „Cheops“-Pyramide genutzt, weil er grösser ist. Vom Originaleingang führt der „absteigende Gang“ in einer perfekten Geraden 105 m weit bis tief in das Felsgestein. Dieser seit über zwanzig Jahren für Touristen geschlossene Gang ist 1,04 m breit und 1,19 m hoch und weist ein Gefälle von 26° 31’ 23’’ auf (was genau der Hälfte des Neigungswinkels der Seitenflächen der Pyramide entspricht). Decke und Wände bestehen aus polierten und fugenlos aneinandergereihten Kalksteinblöcken.  32 m unter der Pyramidenbasis wird der Gang horizontal und mündet nach 9 m in eine unterirdische Kammer.

 

Die Kammer des Weges (Die «Brunnen»-Kammer im Untergrund)

Der mysteriöseste Raum ist die sogenannte „Brunnen“- oder „Felsen“- oder „unvollendete“ Kammer. Sie ist 14 m lang, 8,25 m breit und bis 2,5 m hoch. Dazu ist sie genau nach der Nord-Süd- und der Ost-West-Achse ausgerichtet und hat zwei völlig verschiedene Hälften: Die östlich gelegene ist flach und vor der Seitenwand gibt es einen heute 3,4 m tiefen Schacht, der bei der Entdeckung im Jahr 1817 nur 1,52 m tief war. Doch auf der Suche nach weiteren Kammern wurde darin fast 9 m tiefer gegraben und führte zur irrtümlichen Bezeichnung „Brunnen“-Kammer (siehe auch Entdeckungen auf Seite 189). 

In der westlichen Hälfte befindet sich eine abgestufte Erhöhung, durch die ein schmaler Gang bis zur Hinterwand führt. Aus der Felserhöhung ragen Höcker zum Teil bis fast an die fein herausgearbeitete Decke. Hätte man die Höcker nicht stehengelassen, wäre das Schleifen der Decke um einiges leichter gefallen. Anscheinend sollten sie aber genau so angeordnet sein, wie sie sind. Der absteigende Gang ist mit Bestimmtheit erst nach dem Heraushauen der Felsen-Kammer mit den polierten Blöcken eingefasst worden, denn sie weisen weder Kratz- noch Schleifspuren auf.

Würde es sich tatsächlich um eine „unvollendete“ Grabkammer handeln, hätte man den mehr als 100 m langen Gang wohl kaum nachträglich ausgekleidet. 

Zudem gibt es in der Südwand der Kammer gegenüber dem Eingang den 16 m langen „blinden“ oder „unvollendeten“ Gang mit glatten Wänden, die aus dem Fels gehauen wurden. Auch diese Mühe hätte man sich bei einem aufgegebenen Kammerbau sparen können. Vielmehr scheint die Anlage in ihrer Gesamtheit so erstellt worden zu sein, wie es von Anfang an geplant war, auch wenn die Menschen heute noch nicht verstehen, worin ihr Zweck bestand. Die „Brunnen“-Kammer ist seit 1984 für Touristen geschlossen, weil es mysteriöse Todesfälle gab. Sie ist jedoch mit einer Sondergenehmigung der Altertümer-Verwaltung zugänglich. 

 

Anmerkung: 

Nur diese Kammer „des Weges“ liegt im Untergrund, alle anderen sind im Korpus selbst eingebaut (im Gegensatz zu den anderen beiden Pyramiden und ihren unterirdischen Anlagen). 

18,5 m hinter dem ursprünglichen Eingang zweigt vom absteigenden Gang der aufsteigende ab. Er ist schmal und niedrig (1,05 m breit und 1,2–1,3 m hoch) und weist mit 26° dieselbe Neigung auf. 

Die Abzweigung war hinter einem der Kalksteinblöcke des absteigenden Ganges verborgen, doch genau dieser fiel beim Stollenbau von al-Mamun um und wies den Schatzsuchern polternd den Weg. Dadurch wurde auch der aufsteigende Gang entdeckt, doch dessen Zugang war nicht passierbar, denn er war mit einem Granitblock verbarrikadiert, der sich nicht bewegen liess.

Heute wissen wir, dass diese Schachtanlage gegen unten schmaler wird und darin drei hintereinanderliegende Blöcke liegen. Sie müssen also von der anderen Seite dorthin geschoben worden sein. Weil der enge Schacht jedoch rund 38 m lang ist (die Messungen variieren zwischen 37,76 und 39,3 m), können die schweren Blöcke nicht erst am Schluss hindurchgestossen worden sein, sondern mussten schon beim Bau eingefügt worden sein. Das heisst, die Pyramide wurde nach einem wohldurchdachten Gesamtplan errichtet, der auch die beweglichen Verschlussteine miteinbezog. Doch was war der Zweck des aufsteigenden Ganges, wenn er von Anfang an unpassierbar war?

Um hinter die Blockbarrikade zu kommen, gruben al-Mamuns Männer einen Stollen um das Hindernis herum. Was sie im oberen Bereich der Pyramide fanden, ist unklar. Die Überlieferungen berichten Widersprüchliches. Wahrscheinlich war die „Cheops“-Pyramide leer gewesen, wie die anderen, die man verschlossen vorgefunden hatte.

 

Die „Galerie“-Kammer

Nachdem man den aufsteigenden Gang hinaufgekrochen ist, befindet man sich nach 38 m plötzlich in einem 8,5 m hohen Raum, der in der gleichen Neigung von 26° weiter nach oben führt,die sogenannte Galerie. Sie ist 46,63 m lang, ist die grösste Kammer in der grossen Pyramide und stellt eine der anspruchvollsten Megalith-Konstruktionen der Welt dar. 

Die Wände bestehen bis in 2,3 m Höhe aus polierten Kalksteinquadern und darüber beginnt eine Kragenkonstruktion, bei der beide Seiten von Lage zu Lage um 7,5 cm nach innen versetzt sind. Deshalb ist die Galerie an der Decke über der siebenten Lage mit 1,04 m viel schmaler als mit 2,05 m am Boden. Die Quader sind mit 0,88 m so hoch sind wie eine Lage, perfekt zugeschnitten und fugenlos zusammengefügt, so dass die Berührungslinien kaum zu sehen sind. In der Mitte des gut 2 m breiten Bodens ist über die ganze Länge der Galerie eine 60 cm tiefe Rinne eingelassen, die genau so breit ist wie die Decke. Zu den Seitenwänden hin gibt es deshalb über die ganze Länge je eine 68 cm breite Stufe. Darin befinden sich jeweils 28 Vertiefungen an der Wand, die an diesen Stellen im Abstand von 1 m kleine Einschnitte aufweist, die 16 cm breit, 20 cm tief und abwechselnd 50 und 60 cm hoch sind. 

Die komplizierte Konstruktion der Galerie mit ihrer einerseits beeindruckenden, maschinenhaften Präzision bedeutete andererseits eine aus heutiger Sicht unsinnige Erschwerung der Bauarbeiten, sowie ein unnötiges Risiko, weil der riesige Hohlraum dem gesamten Druck der oberen Pyramide standhalten muss. 

Einmal mehr drängen sich Fragen auf: Warum ist der aufsteigende Gang lediglich 1,2 m hoch und die Galerie 8,5 m? Warum entspricht die Rinne im Boden der Deckengrösse? Wie wurde dies errechnet und woher stammt das unglaubliche Wissen über die Statik?

 

Die Kammer der Mutter («Königinnen»-Kammer)

Dort, wo der aufsteigende Gang in die Galerie mündet, geht ein anderer Gang horizontal weiter. Er führt zur „Königin“-Kammer, die 38 m weiter hinten liegt. Auch sie hat eine präzise Nord-Süd- und Ost-West-Ausrichtung. Die Kammer ist mit 5,74 x 5,24 m fast quadratisch und hat ein Satteldach mit gegeneinandergekippten Kalksteinplatten (Giebelhöhe 6,22 m). Weil die Verarbeitung eher grob ist, geht die ägyptologische Interpretation auch hier davon aus, dass es sich um eine „aufgegebene Kammer“ handelt.

In der Nord- und der Südwand verschwindet je ein 20 cm hoher x 22 cm breiter Schacht. Beide waren ursprünglich hinter einer 12 cm dicken Abdeckung verborgen und wurden erst 1872 entdeckt und dann „Lüftungs“-Schächte genannt (siehe Seiten 214 und 298).

Erst 121 Jahre später sorgte der deutsche Ingenieur Rudolf Gantenbrink mit seinem Kameraroboter im südlichen Schacht für Aufsehen, da er mit 65 m viel länger war als bis dahin angenommen. Doch die Hauptsensation war, dass der Roboter am Ende des Schachtes einen Verschluss mit zwei Kupfergriffen entdeckte (siehe Seite 215). Seit 1993 wissen wir also, dass die Schächte bis über die „Königs“-Kammer hinaufgehen. Wäre die „Königin“-Kammer aufgegeben worden, weil man die „Grab“-Kammer auf einer höheren Ebene errichten wollte, wären die beiden Schächte bestimmt nicht weitergeführt worden.

In der Ostwand befindet sich eine Nische, die sich gegen oben auf beiden Seiten stufenweise verengt. Ursprünglich war sie 1,04 m tief, doch arabische Schatzsucher vergrösserten sie, weil sie dahinter eine weitere Kammer zu finden hofften.

 

Die Kammer des Vaters («Königs»-Kammer)

Am Ende der Galerie gibt es eine 85 cm hohe Stufe, hinter der sich nach einem 8,4 m langen architektonischen Irrgarten die „Königs“-Kammer befindet. 

Sie liegt auf der 50. Steinlage, die besondere Eigenschaften besitzt, wie Sir Flinders Petrie erkannt hat: Die Fläche ist dort genau halb so gross wie an der Pyramidenbasis, und die Länge der Diagonalen entspricht der Seitenlänge an der Basis. 

Die Kammer, die eine präzise Ost-West-Ausrichtung aufweist, ist 10,7 m lang, 5,22 m breit und 5,82 m hoch und besteht vollständig aus Rosengranit. Den Boden bilden 15 massive Quader und die Wände bestehen aus genau 100 Blöcken. Als Decke liegen 9 gewaltige Granitblöcke quer über der Kammer, jeder 40–50 t schwer, allein das sind rund 400 t roter Granit. Der „Sarkophag“, der in dieser Kammer steht, wurde aus einem Stück Rosengranit gefertigt. Der Hohlraum entspricht genau der Hälfte des Gesamtvolumens. Wie die Ägypter zur Zeit Cheops mit ihren weichen Kupferwerkzeugen diesen Granitblock auch innen so zuschneiden und bearbeiten konnten, ist bis heute ungeklärt. Ebenso die Frage, wie der „Sarkophag“ – der grösser als die Zubringergänge ist – an seinen Bestimmungsort gelangte. Es wird gesagt, dass er noch von aussen in die Kammer gestellt und die Pyramide danach rundherum fertig gebaut wurde. Warum aber haben die Erbauer einerseits so enge Gänge angelegt und andererseits die über 8 m hohe Galerie mit ausgeklügelter Bautechnik geschaffen? Wenn der Zugang für eine Begräbnisprozession bestimmt gewesen wäre, hätte man ihn doch so errichtet, dass man normal hindurchgehen kann. Man stelle sich vor, nach dem Tod des Pharaos Cheops sollten die Priester die Mumie ohne Sarg und streckenweise in kniend gebückter Haltung in die Pyramiden-Kammer bringen, weil es die Architekten so gewollt hätten. Hinzu kommt, dass die Abzweigung in den aufsteigenden Gang von Anfang an verbarrikadiert war. 

Als einziger Zugang blieb somit der „Brunnen“-Schacht (Siehe Seite 49). 

Wurde die Mumie von Cheops durch diesen engen Schacht in die „Grab“-Kammer gehievt? Das sind ägyptologische Annahmen, zu denen es keine Alternativen gibt, wenn man an der offiziellen Theorie festhält, wonach die grosse Pyramide als Grabstätte von Cheops diente.

 

Die „Entlastungs“-Kammern

Direkt über der Königs-Kammer befinden sich 5 niedrige Hohlräume, wovon der oberste von einer megalithischen Giebelkonstruktion überdacht ist. Diese Ebenen, die als „Entlastungs“-Kammern interpretiert wurden, sind durch 9 perfekt verlegte, 40–50 t schwere Granitbalken voneinander abgetrennt und haben keinen Zugang. Sie waren vermutlich seit der Fertigstellung abgeriegelt. Architektonisch bewanderte Autoren haben verschiedentlich darauf hingewiesen, dass diese Konstruktion keine Entlastung bewirkt.* Wenn eine Kammer eine Entlastung bräuchte, wäre es vor allem die „Königin“-Kammer, die sich etwa zwölf Lagen tiefer und im Gegensatz zur Königs-Kammer genau auf der Mittelachse der Pyramide befindet.

* Anmerkung: Inzwischen wurde wissenschaftlich bewiesen, dass die „Entlastungs“-Kammern keine Entlastung bewirken. Dies führt manche Wissenschaftler nun zu der Schlussfolgerung, diese Hohlräume seien eine Verlegenheitslösung gewesen. So schreibt z. B. Prof. Oskar M. Riedl in seinem Buch „Der Pyramidenbau und seine Transportprobleme“ auf den Seiten 133 und 134:  […] wird in Assuan schon lange am Aushub des Granitmaterials für die Königs-Kammer und vor allem an dem Bruch der 40–50 t schweren, ca. 6,5 x 1 x 2 m messenden Granitbalken für die Decken der Königs-Kammer und die 4 Entlastungs-Kammern gearbeitet. Die 5. Entlastungs-Kammer ist giebelförmig, von riesigen Kalksteinmonolithen (je ungefähr 40 t) überdeckt. Möglicherweise liegt dieses Giebeldach sogar in mehreren Schichten über den (dann bestimmt völlig unnützen) Entlastungs-Kammern. […] Möglicherweise liegt kein Fehler der Statik vor, sondern die Riesenblöcke waren etwa für eine andere Gestaltung gedacht. Der Bau der großen Galerie, die erst am Zugang zur Königinnen-Kammer beginnt, über 2 m breit und 8 1/2 m hoch und nach einer Länge von mehr als 46 m plötzlich zu zwei  ‚Schlupflöchern’  von 1,1 x 1,05 m sich verengt, die in die Grabkammer führen, verleitet zu der Vermutung, daß ein größeres Vorhaben – vielleicht die Anlage einer weiteren Kammer oder anderes – aufgegeben worden ist und die funktionslose Verbauung der überflüssig gewordenen Granitblöcke in den Entlastungs-Kammern eine Verlegenheitslösung war. Es handelt sich ja um 80–100 megalithische Steinblöcke von 40–50 t Gewicht, und dieses Material wurde die ganze Zeit [von Steinlage zu Steinlage] mitgehoben.“

 

Weitere Kammern in der grossen Pyramide

Bis in die 90er-Jahre waren alle der Meinung, die grosse Pyramide enthalte nur die „Königs“-Kammer, die „Königin“-Kammer, die Galerie, die Grotte und die „Brunnen“-Kammer. Allein in den letzten 30 Jahren wurden seit 1987 jedoch mindestens 4 weitere Kammern mit modernster Technik nachgewiesen, vor allem von den japanischen Wissenschaftlern der Waseda-Universität um Professor Yoshimura (siehe Seite 211) und den französischen Forschern um Gilles Dormion (siehe Seite 226).

 

Dies ist ein Auszug aus dem Buch GIZA VERMÄCHTNIS.